Willst du schnell sein gehe langsam - pomalo pomalo

willst du schnell sein gehe langsam
Abbildung: in diesem Beitrag beschreibt die Schildkröte Kurma ihren beständigen Weg der Schnelligkeit

Tauchen wir gemeinsam ein in die philosophische Tiefe der pomalo pomalo-Tradition, und dem Motto „so schnell langsam werden“. Dies hat ein wenig mit dem Weltbild des Daoismus zu tun, welches im Daodejing (Dàodéjīng) beschrieben steht. Dabei handelt es sich nach der Bibel wohl um das weltweit verbreitetste, und am häufigsten übersetzte, Buch.

Die Entstehung des Daodejing

Dessen Inhalt liegt begründet auf den Lehren des chinesischen Philosophen und Alt-Meisters Laozi (auch Laotse geschrieben), welcher im 6. Jahrhundert vor Christus gelebt haben soll. Erst etwa 450 Jahre später hat Kaiser Jing aus der Han-Dynastie, welcher von 157 – 141 vor Christus das chinesische Reich regierte, jener Lehre und dem Hauptwerk des Daoismus, welches etwa im 4. Jahrhundert vor Christus entstanden ist, den offiziellen Namen Daodejing gegeben.

Dies ist in seiner jahrhundertelangen Entstehungsgeschichte das beste Beispiel für die Heranreifung und Beständigkeit einer Lebensweisheit, die im Daoismus begründet liegt und bis heute gelebt wird.

Die Kernaussage des Daodejing ist, dass wir im Einklang mit dem Dao, dem natürlichen Fluss der Natur, leben sollten. Dies geschieht durch den respektvollen Umgang mit Wu Wei, dem Nicht-Eingreifen in den natürlichen Verlauf des Lebens. Leben in Klarheit, Bescheidenheit und der Akzeptanz von Gegensätzen sind essentielle Elemente dieser Philosophie. Indem der Mensch sich von übermäßigem Handeln, Zwang und künstlichen Strukturen befreit, kann er Zufriedenheit und Frieden finden.

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Willst du schnell sein

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ein Stück weit pomalo pomalo

Das Daodejing fordert Menschen auf, in Harmonie mit der Natur zu leben und unnatürliche Strukturen zu vermeiden. Der Mensch sollte sich vom Unnötigen befreien und zu seiner ursprünglichen, natürlichen Einfachheit zurückkehren. Nun gut, das klingt jetzt für die meisten Mittel-Europäer zunächst einmal zu sehr reduziert und in unserer stark technologisierten Welt wohl kaum umsetzbar. Wenn wir uns dann doch einmal etwas genauer damit befassen, wird uns vielleicht klar, was wir Europäer uns aus den Lehren des Daoismus mitnehmen können – zumindest einmal probeweise für den begrenzten Zeitraum unseres Urlaubes.

pomalo pomalo, der Travel-, Inspiration- und Lifestyle-Guide freut sich, dich ein Stück auf diesem Weg mitnehmen zu können.

Willst du schnell sein gehe langsam – ein Widerspruch?

Keineswegs ist hier auch nur ein Funke von Widerspruch enthalten. Eine Geschichte von der Schildkröte „Kurma“ (Buch: Die 7 Geheimnisse der Schildkröte) beschreibt es wohl sehr gut, wie man mit Achtsam- und Beständigkeit durchaus schnell an ein Ziel gelangen kann, womöglich schneller als so mancher Hase, der permanent auf Druck sein Ziel verfolgt und dabei immer wieder vor sich hin stolpert. Den in der Ruhe liegt die Kraft und mit dem Fluss der Ereignisse auf einer Welle des Geschehens zu schwimmen, verleiht doch irgendwie Flügel. Hier befindet man sich durch scheinbares Wenig- oder Nichtstun in einem durchaus produktiven Flow-Zustand des Ungezwungenen – nichts muss und alles kann.

Es ist wohl auch eine Entscheidung, die zunächst Mut bedeutet, zu akzeptieren, wenn etwas nicht passiert. Und es ist auch in Ordnung dieses „Etwas“ nicht zu erzwingen. Dazu gehört Mut und Überzeugung, das Schicksal und die Natur so anzuerkennen, wie es nun mal eben ist. Wir Menschen sollten nicht versuchen Gott zu spielen, denn das sind wir nicht.

Langfristig schnell oder wirksam zu sein, ist eine Frage von Effizienz. Effizienz in diesem Kontext ist eine Frage von Vermeidung von Widerstand, dem Kampf gegen das Schicksal, den wir in den meisten Fällen nicht gewinnen können. Nicht gegen etwas anzukämpfen ist keine Schwäche, sondern eine Akzeptanz von Gegensätzen – die Anerkennung der jeweiligen Situation.

Sich abzuwenden, um das schicksalhafte Gefüge anzuerkennen, ist genauso gut, wie die Zuwendung zu schicksalhaften Begegnungen, die uns intuitiv einfach nur gut tun. Die Menschen dürfen und sollen sich spüren und dem Ruf ihres Herzens folgen, dort wird man inneren Frieden finden.

Beispiel aus dem möglichen nächsten Urlaub

Stellen wir uns vor, dass wir uns im Urlaub in Kroatien befinden. Es ist Sommer und es ist heiß, sehr heiß. Leider sind wir in eine der zahlreichen Touristenfallen gelandet und stehen im Stau vor einer Fähre. Wir wollen unbedingt auf diese schöne nahegelegene Insel und deshalb nehmen wir den mittlerweile 3 Stunden langen Stau auf der Zufahrtsstraße zur Fähre in Kauf, obwohl wir bereits 600 Kilometer mit dem Auto hinter uns gelassen haben. Auf „Biegen und Brechen“ versuchen wir unser Ziel auf der Insel zu erreichen, koste es was es wolle. Doch mittlerweile ist die Stimmung im Auto auf einem Tiefstand, da helfen auch keine Sommerhits im Radio mehr um die Anspannung zu lösen.

Und die Kinder auf der Rückbank müssen schon wieder auf die Toilette, doch weit und breit ist kein WC entlang der glühend heißen Autokolonne zu sehen. Es gibt nur eine Möglichkeit, aus der Situation zu entkommen: das Auto zu wenden und auf der völlig freien Spur der entgegengesetzten Richtung das Weite zu suchen. Das einzige was uns davon abhält, den Stau zu verlassen, ist unser „Dickkopf“, der krampfhaft versucht, das durchzusetzen, was der natürliche Verlauf der Ereignisse uns „warum auch immer“ gerade verwehrt.

Also, liegt es jetzt an uns, zu entscheiden, ob wir gegen den natürlichen Verlauf beharrlich ankämpfen, oder ob wir die momentane Situation anerkennen und einen Weg ohne Widerstand zulassen und beginnen den Urlaub zu genießen, an einem Ort ohne Stau. Die Überfahrt mit der Fähre zur Insel könnten wir doch vielleicht auch ein paar Stunden später noch machen, wenn nicht mehr so viel Verkehr ist. In der Zwischenzeit kühlen wir uns an einem nahegelegen Strand im herrlichen Wasser der Adria ab.

Die Entscheidung, den Stau zu verlassen, hat etwas mit den Lehren des Daoismus zu tun, zumindest einem kleinen Teil davon.

Das Sprichwort "Willst du schnell sein gehe langsam" …

… wird auch dem ersten römischen Kaiser Augustus (geboren am Palatin in Rom am 23. September 63 vor Christus) zugesprochen. Augustus war der Großneffe und Haupterbe von Gaius Julius Cäsar. Er hat die Machtkämpfe im römischen Imperium gewonnen, die auf der Ermordung Julius Cäsars im Jahr 44 vor Christus folgten, und war von 31 vor Christus bis 14 nach Christus der Alleinherrscher des römischen Imperiums in seiner Blütezeit.

Kaiser Augustus

Augustus soll die lateinische Version des Sprichworts verwendet haben: „Festina lente“ (übersetzt: „Eile mit Weile“). Dies soll bedeuten, dass man durch überstürztes Handeln fehleranfällig ist und es letztlich länger dauert, während man durch bedachtes Vorgehen oft schneller ans Ziel kommt.

Konfuzius

Auch der chinesische Philosoph Konfuzius hat zu seinen Lebzeiten (500 vor Christus) ähnliche Gedanken geäußert, welche das Prinzip von geduldigem Handeln betonen. Eine seiner bekanntesten Aussagen dahingehend lautet: „Es ist egal, wie langsam du gehst, solange du nicht stehen bleibst.“

Diese Weisheit drückt aus, dass kontinuierlicher, wenn auch langsamer Fortschritt, zielführender ist als Hastigkeit und Eile. Dies deckt sich in gewisser Weise mit der Ansicht Augustus und erinnert an die Geschichte der Schildkröte Kurma.

Konfuzius betonte in seiner Lehre oft die Bedeutung von Nachdenken, Reflexion und geduldigem Handeln, was sehr gut zu der Idee passt, dass vorsichtige Schritte auf lange Sicht zu besseren Ergebnissen führen.

Seneca

Der römische Stoiker Seneca schrieb in seinen philosophischen Briefen über die Tugend der Geduld und das Vermeiden überstürzten Handelns. Eines seiner Zitate lautet: „Alles Große reift langsam heran.“

Mahatma Gandhi

Auch in jüngerer Vergangenheit haben große Denker der Menschheit ihren Ansichten über das Leben Ausdruck verliehen, wie zum Beispiel Mahatma Gandhi. Er betonte in seinen Lehren die Kraft der Geduld und des friedlichen Widerstands. Seine Methode des Festhalten an der Wahrheit (Satyagraha) war ein Beispiel dafür, wie langsamer, gewaltfreier Widerstand auf lange Sicht größere Erfolge erzielt als schnelle, gewaltsame Aktionen.

Friedrich Nietzsche

Friedrich Nietzsche schrieb in seinem Werk „Also sprach Zarathustra“ über das Konzept des „langsamen Reifens“ im Leben eines Menschen. Er sah das Leben als einen Prozess, der Geduld und Ausdauer erfordert. Er verachtete Oberflächlichkeit und forderte zur Tiefe und zum bewussten Wachsen auf: „Wer sehr hoch hinaus will, muss sich sehr viel Zeit nehmen.“

Die Zahl jener Menschen, die ähnlich über die Langsamkeit unserer Welt denken und gedacht haben, ist nicht zu greifen, so hoch dürfte sie sein. Es liegt an uns aller selbst, dass diese Wahrheit auch in Zukunft nicht in Vergessenheit gerät und wir uns darauf auch weiterhin besinnen dürfen, Teil eines sinnerfüllten Lebens zu sein.

„pomalo pomalo – so schnell langsam werden“, ist jener Ausdruck von Eindrücken, die wir bekommen, wenn wir mit offenen Augen und Achtsamkeit durch die Welt gehen.

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